Armut – Beteiligung – Bürgerrechte Betroffenenpartizipation stärken!

Am 09. September luden die nationalen Landes-Armutskonferenzen, Nakdie Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen BBI, die LAG Wohnungslosenhilfe in Baden-Württemberg sowie das Armutsnetzwerk Niedersachsen, unter Mitwirkung der NAK, zu einer Fachtagung zum Thema „Armut – Beteiligung – Bürgerrechte Betroffenenpartizipation stärken“ in die Diakonie Deutschland nach Berlin ein.

Hintergrund dieser Fachtagung ist die Beteiligung der Landesarmutskonferenzen mit Workshops zur „Frage der politischen Partizipation (Beteiligung) von Menschen in Armutslagen“ am Treffen von Menschen mit Armutserfahrungen Ende September.  In diesem Zusammenhang entstand eine Diskussion zum Thema Zukunft von Partizipation und Teilhabe von Menschen in Armutslagen auf dem letzten Treffen der AG der Landesarmutskonferenzen in Hannover.

Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Fachverbände sollen sich über eine gemeinsame Strategie in Armutsfragen zusammen mit Betroffenen verständigen. Aber um an einem Strang ziehen zu können muss man erst einmal wissen wie die aktuelle Lage in Deutschland aussieht.

Die Armut in Deutschland nimmt seit Jahren zu. 20 % der Bevölkerung lebt in verfestigten Armutslagen. Für eine Gesellschaft die demokratische und soziale Werte für sich in Anspruch nimmt, kann eine dauerhafte Ausgrenzung von Menschen nicht hinnehmbar sein.

Auch in Armut Lebende haben Bürgerrechte. Die Gewährleistung der sozialen Lebensgrundlagen ist ein Menschenrecht, das sich im Grundgesetz, den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, in Verträgen und Erklärungen der Vereinten Nationen und in der Europäischen Sozialcharta widerspiegelt.

Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wurde bereits am 26. August 1789 von der französischen Nationalversammlung verabschiedet. Sie fixierte nach dem Vorbild der Unabhängigkeitserklärung der USA in 17 Punkten bzw. Paragraphen die Rechte, die jedem Franzosen unveräußerlich als Mensch und als Bürger zuerkannt wurden. Die Menschenrechtserklärung der Französischen Revolution ist bis in die Gegenwart hinein die Basis der Verfassungen vieler demokratischer Länder der Erde. In unserem Grundgesetz wurden diese Rechte als Präambel vorangesetzt. Trotz allem werden diese Rechte nicht in jedem Land eingehalten auch wenn sie sich zur Einhaltung verpflichteten.

Die Menschheit muss weltweit lernen dass die Zukunft nur der Gewaltlosigkeit und der Versöhnung der unterschiedlichen Kulturen gehört. Das heißt, jeder Mensch sollte mit Respekt behandelt werden. „Man kann Terroristen, die Bomben werfen nicht entschuldigen“. Sartre schrieb bereits 1947: „Ich gebe zu, dass Gewalt, in welcher Form sie sich auch äußern mag, immer ein Fehlschlag ist. Aber es ist ein unvermeidlicher Fehlschlag, weil wir in einer Welt der Gewalt leben.“

Was kann man dagegen tun? Wie kann die NAK sich als Bürgerrechtsbewegung für die Rechte sozial Ausgegrenzter einsetzen? Wie kann die NAK eine aktive Rolle für die von Armut Betroffenen beim Eintreten für ihre Rechte gewährleisten.

Die NAK will von Armut Betroffene beteiligen. Aber was heißt das konkret? Welche politische Strategie ist damit verbunden? In wie weit ist Beteiligung strukturell möglich? Wo können in Armut Lebende ihre Forderungen repressionsfrei formulieren? Wie ernst werden sie genommen? Wie können Betroffene und Verbände so zusammenarbeiten dass nicht der eine den anderen dominiert? Darüber wurde diskutiert.

Der Tag startete mit 2 Filmstreifen aus dem Saarland und Niedersachsen zu Lebenslagen von Exklusion bedrohter Menschen. Die Saarländische Armutskonferenz zeigte den von Laien mit einer Handkamera angefertigten Film LEBEN TROTZ ARMUT und das Forum Kinderarmut in Uslar führte den preisgekrönten Film „Jeder isst mit!“ vor. Im Anschluss daran erläuterten die Akteure die Entstehung der Filme und stellten sich den Fragen aus dem Teilnehmerkreis.

Die NAK unterstützt in diesem Zusammenhang auch eine Petition Teilhabe und Schulbildung, welche  von der Diakonie Niedersachsen gestartet wurde und an den Bundestag ging.

Unmittelbar danach gab es eine kurze Gesprächsrunde zum Thema Armutsbekämpfung – eine Bürgerrechtsbewegung? Dazu erläuterte Martin Fischer von der NAK den Begriff Bürgerrechtsbewegung: „Eine Bürgerrechtsbewegung ist nach allgemeinem Verständnis eine soziale Bewegung, die versucht, Menschen- und Bürgerrechte durchzusetzen. In Europa gab und gibt es verschiedene Bürgerrechtsbewegungen. Sie setzen sich für die Rechte von Minderheiten und/oder benachteiligten Bevölkerungsgruppen ein. Während der Zeit des Sozialismus/Kommunismus kämpften sie für die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte in den jeweiligen Ländern.“

Über die Fragen Armutsbekämpfung, Beteiligung, Menschenrechte. Brauchen wir eine Bürgerrechtsbewegung gegen Armut? machten sich alle Eingeladenen Gedanken und kamen zu dem Schluss, dass es momentan keine Waffengleichheit gibt. „Das bürgerliche Machtlager formiert sich jeden Tag und hat gelernt öffentliche Meinung herzustellen und ihre Interessen durchzusetzen. Deshalb  muss jeder Mensch in Armut auch seine eigenen Interessen kennen und sich parallel organisieren – neben dem Dialog mit dem Machtapparat.“

Um Armut zu bekämpfen benötigt es viele Ressourcen von Seiten der Betroffenen und der Organisationen/Verbände: Betroffene müssen sich aktiv an Politik beteiligen – das setzt aber voraus dass die Menschen auch verstehen wovon sein Gegenüber redet. Dies ist nicht immer der Fall. Die Organisationen und Verbände müssen sich sehr breit aufstellen und nach Möglichkeit miteinander vernetzen und strukturell neu aufstellen damit sie voneinander lernen und arbeiten können. Für die NAK heißt das, dass ihre einzelnen Arbeitsgruppen nicht separiert arbeiten, sondern dass eine gruppenübergreifende Arbeit erfolgen sollte damit jeder weiß wo der andere steht.

Es kam in der Diskussion auch die Frage auf wie die NAK bzw. die eingeladenen Verbände und Organisationen zur öffentlich geförderten Beschäftigung stehen. Diese Art der Arbeit wird in den meisten Fällen abgelehnt. Zum einen, weil damit der Lobbyismus vieler Träger gefördert wird, die für die Beschäftigung der Betroffenen Geld bekommen und damit ihr Überleben sichern. Zum anderen ist diese Art der Beschäftigung nur befristet, und nicht sozialversicherungs- bzw. steuerpflichtig und führt in der Regel nicht in den 1. Arbeitsmarkt. Das heißt nach Beendigung der Maßnahme fällt der Betroffene wieder zurück in das SGB II/XII.

Die NAK versucht zusammen mit den verschiedenen Organisationen und den Betroffenen nach Lösungsansätzen zu suchen um Menschen die ein Leben in Armut führen stärker zu beteiligen. Dies ist ein langwieriger, aber lohnender Prozess. Am Ende dieses Prozesses steht der Wunsch dass es eine bessere Vernetzung gibt die diese Beteiligung fördern.

16-09-16 Mitschrift Betroffenenpartizipation stärken