Für ein Europa der sozialen Sicherheit

Resolution der Teilnehmer der Trinationalen Konferenz
„Für ein Europa der sozialen Sicherheit und Solidarität mit Griechenland“
vom 4. Juli 2015 in Basel/CH.

1834 hat Georg Büchner, Dramatiker und Revolutionär aus dem Dreiländereck CH-D-F, in einem populären Aufruf die soziale Frage zugespitzt: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Angesichts der heutigen Entwicklung im Europa der Konzerne und Banken erhält diese Formulierung aktuelle Bedeutung.

Unsere erste Trinationale Konferenz vor zwei Jahren in Freiburg hatte in ihrer Schlussresolution festgestellt, dass „die seit mehreren Jahren anhaltende Krise des Euros (bedingt ist) durch die Konstruktion einer Eurozone mit verheerendem Wettbewerb zwischen ökonomisch und politisch ungleichen EU-Ländern um die Gunst des Kapitals“. Diese Aussage hat sich in der Zwischenzeit nicht nur bestätigt, die Auswirkungen dieser Politik haben sich sogar weiter verschärft. In mehreren EU-Ländern sind nach der zusätzlichen Überschuldung der Staatskassen infolge der Rettung „systemrelevanter“ Banken von der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank (den „Institutionen“) rigorose Einschnitte in die Sozialsysteme und die Ausgaben der öffentlichen Hand diktiert worden, um den Schuldendienst an die Banken sicherzustellen. Die erzwungenen Steuererhöhungen trafen am härtesten die Bezieher kleiner bis mittlerer Einkommen. Die als Hilfsgelder bezeichneten Zahlungen der Europäischen Zentralbank erreichen nicht die Menschen, sondern sind nahezu ausschließlich zweckbestimmt für die Bedienung der Banken. Die Folgen für die betroffenen Länder sind katastrophal:
• Große Teile der nationalen Wirtschaft, der Steuereinnahmen und des Bruttoinlandsprodukts sind zusammengebrochen bei gleichzeitig steigenden Arbeitslosenzahlen.
• In einigen Ländern wird über 50% der Jugendlichen Arbeit und Zukunft verweigert.
• Rentner werden mit Rentenkürzungen in Armut gestürzt.
• Millionen von Menschen wird der Zugang zur Krankenversorgung verwehrt.
• Wichtige Teile des Öffentlichen Eigentums und der Daseinsvorsorge wurden privatisiert und damit zu Quellen privaten Profits, während Milliardenvermögen unangetastet blieben.
• Demokratische Rechte wurden eingeschränkt und rechtsradikale bis neofaschistische Parteien und Strömungen erhalten Zulauf.
Gleichzeitig hat sich in allen Ländern der EU die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. Marginale Teile der Bevölkerung verfügen über den überwiegenden und stetig anwachsenden Teil des nationalen Reichtums.

Diese Entwicklung verläuft nicht ohne Gegenwehr. Millionen Menschen wurden gegen die Verarmungspolitik aktiv. In mehreren Ländern bildeten sich starke Volksbewegungen zusammen mit Gewerkschaften und anderen sozialen Gruppierungen jenseits der etablierten Parteien. In Griechenland wurde eine Regierung gewählt, die in Abkehr zu ihren Vorgängern dem Diktat der Institutionen zu trotzen versucht, ohne die Eurozone zu verlassen. Sie hat sich bislang mehreren Forderungen dieser Institutionen verweigert, die zu einer weiteren Verschlechterung der Lage ihrer Bürger führen würden und gleichzeitig begonnen, solche Maßnahmen der vorherigen Regierungen rückgängig zu machen oder wenigstens zu stoppen. Die Institutionen wollen sie durch Unnachgiebigkeit zur Annahme ihrer Diktate zwingen.

Die Teilnehmer der Trinationalen Konferenz 2015 verurteilen auf das Schärfste die von den Institutionen verordnete Verarmungspolitik ganzer Völker. Sie erklären sich solidarisch insbesondere mit dem griechischen Volk und werden sich in ihren Wirkungsbereichen für die Verbreiterung dieser Solidarität einsetzen. Sie teilen die Einschätzung vieler Menschen, dass in Griechenland die Institutionen ein Vorgehen durchsetzen wollen, das als „Blaupause“ für den Rest Europas gelten soll, so wie die deutsche Politik der Agenda 2010 die Blaupause für die Deregulierung der Arbeitswelt und Sozialsysteme für zunehmend viele Länder der EU wurde. Wir sind überzeugt: Die Solidarität mit dem griechischen Volk hilft den Menschen in Griechenland und schützt gleichzeitig auch uns!

Die Teilnehmer dieser Konferenz sind sich wie auf ihrer ersten Konferenz 2013 einig:
• Wir wollen ein Wirtschaftssystem, das die Interessen der Masse der Bevölkerung über die der wenigen Reichen stellt und die Ökologie unserer Erde schützt statt ruiniert.
• Wir kämpfen für ein demokratisches Gesellschaftssystem und nicht für die marktkonforme Demokratie der Besitzer des Finanzkapitals.
• Wir wollen ein solidarisches Europa der arbeitenden Menschen, das der Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit, der Armut und dem Bildungsmangel den Kampf ansagt, und das der Gesundheit seiner Menschen und ihrem Wunsch nach menschenwürdigen Lebensbedingungen den Vorrang vor den Märkten mit ihrer Gier nach Profiten gibt.
• Wir fordern die Anhebung und nicht die Absenkung von Löhnen und Transferleistungen in allen Ländern Europas – Geld ist genug da!
• Wir kämpfen für ein soziales und demokratisches Europa, von dem Frieden ausgeht.
• Wir wollen die Entwicklung breiter nationaler sowie grenzüberschreitender Aktionen fördern, die dazu beitragen, den Verursachern und Profiteuren der krisenhaften Entwicklung das Handwerk zu legen.
Dazu rufen wir die Gewerkschaften Europas, die Menschen in politischen und sozialen Bewegungen, die Arbeitenden und die Arbeitslosen, die Jugendlichen und die Rentner, religiöse Menschen, Kirchen und anderer gesellschaftlicher Organisationen und Institutionen auf, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen gegen die Macht der sich so stark fühlenden „Märkte““

Wir freuen uns über den Vorschlag unserer französischen Teilnehmer, die nächste Konferenz in Frankreich stattfinden zu lassen.

Basel, 4. Juli 2015

Für ein Europa der sozialen Sicherheit und der Solidarität mit Griechenland (Einladung)