Genau zum 4.6.25 brachten unsere französischen Freunde den Colibri mit nach Stuttgart. Einige davon sind auch an die Vertreter des Ministeriums verteilt worden. Weitere Exemplare an die internen Aktiven der lak-bw. Wenige Exemplare sind jetzt noch übrig von diesem 39. Colibri.
Dieser Colibri ist nun erstmals wirklich französisch-deutsch. D. h. alle Artikel die im Original zunächst nur französisch oder umgekehrt deutsch sind, die sind im Colibri nun in beiden Sprachen zu lesen.
Autoren und Autorinnen sind Roger Winterhalter, Roland Saurer, Silvie Brucker, Aki Kiok, Anne Jeziorski, Michel Muller.
Roger Winterhalter erzählt von einer Begegnung mit einem Obdachlosen. Es geht um Tony, der sich auch beim MCM engagiert. Mehrere Fragen tauschen die beiden aus. Nach Strassenleben, nach Sicherheit. Nach den Zahlen in Frankreich, wo Tony 1 Million auf der Straße schätzt, die Regierung dagegen spricht von 300 Tausend. Roger und Tony sprechen über ein Zuhause, über die Genialität von Menschen und Roger fügt hinzu, alle Menschen sind begabt, man muss es nur ausprobieren.
Roland Saurer macht einen sozialhistorischen Abriss wie in Deutschland über Jahrhunderte mit Menschen in Not, gar in Obdachlosigkeit umgegangen wurde. Erst die Reformpolitik des Kanzlers Willy Brandt hat den Strafparagraphen zu Obdachlosigkeit aufgehoben. Das Modell housing first soll jetzt die stationären Hilfen ablösen. Menschen in Wohnraum erhalten soziale Unterstützung. Weg von Stigmatisierung und Diskriminierung.
Sylvie Brucker berichtet von einem Projekt wo Architektur und soziale Bewegungen zusammenarbeiten. Hochschule Architektur Strasbourg und das MCM und seine Aktiven arbeiten zusammen, um Lösungen für Obdachlose zu finden, die Überleben sichern, die Schutz garantieren, die Wege der Rückkehr in gesellschaftliche Verhältnisse aufzeigen.
Aki Kiok schreibt, wie Obdachlosigkeit auch ein Kennzeichen der deutschen Situation ist, auch in einem reichen Bundesland wie Baden-Württemberg. Vulnerable Menschen leben auch hier auf der Straße und suchen Schutz in kalten und winterlichen Zeiten. Nach deutschem Kommunalrecht hat jeder einen Anspruch auf Schutz, nur die Gemeinden müssen das auch tatsächlich leisten. Kiok formuliert Fragen und Standards zum Erfrierungsschutz. Frage bleibt, ob es ihn in ausreichendem Masse gibt oder doch nicht?
Anne Jeziorski trifft einen obdachlosen Mann, der ihre Beratung besucht. Er hat eine Wohnung in Stuttgart gefunden. Er hat aber nichts, was er in dieses WG-Zimmer stellen kann. Kein Bett. Kein Schrank, keine Küche. Das Amt weigert sich, die Kosten zu übernehmen. Der Mann bleibt auf der Straße. Erst als sich mehrere Stellen einmischen, auch Kommunalpolitiker kommt Bewegung in die Bürokratie. Zuletzt kann der obdachlose Mensch ein Zuhause finden.
Michel Muller liefert für den Colibri einen hoch interessanten Artikel. Es geht um die Frage der Kompetenzen von wohnungslosen Menschen. Ihnen wird Sozialisation abgesprochen, doch beweisen sie durch den täglichen Überlebenskampf, dass sie Kompetenzen und Visionen besitzen. Frankreichs Obdachlose sind wahrscheinlich 400 Tausend Menschen, gesicherte Zahlen. Medizinische Hilfen sind Mangelware, Sucht und Drogen verschärfen die Lage. Michel Müller greift die Frage nach der Kultur auf, diskutiert das nationale Recht auf Zugang, jedoch die faktische Verweigerung in Frankreich und diskutiert dann die Frage nach Intimität und Sexualität in der Obdachlosigkeit. Michel Müller verweist auf entsprechende Studien in Frankreich. Die Lage auf der Straße, die Gewalt dort. Wahrscheinlich auch die dauernde Kontrolle durch Polizei und Sicherheitsdienste sowie die Situation in den Notunterkünften tragen dazu bei, dass die psychischen Störungen eines Lebens auf der Straße massiv zunehmen.
Der 39. Colibri schließt ab mit einem Aufruf zum Journee de la Paix am 14. Juni 2025 in Mulhouse-Lutterbach.