Presseerklärung und Stellungnahme der 4 – Länder zu den Ereignissen an der polnisch/belarusischen Grenze vom 18.11.2021

Wir sind ein sozialer Zusammenschluss von Menschen aus 4 Ländern, der sich um die Sicherung von Sozial- und Menschenrechten entwickelt hat. Wir arbeiten zusammen über die Landesgrenzen hinweg, um eine Lobby für Menschenrechtsfragen, für europäische Grundrechte und die Sicherung der Lebensbedingungen von Menschen in Ausgrenzung und Prekarität zu sichern. Wir kommen aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Österreich, haben aktive Kontakte nach den Niederlanden und in die Tschechische Republik.

Bei unserem letzten digitalen Treffen am 19. 11. 21 haben wir uns entschieden, die Entwicklungen an den Rändern Europas nicht mehr kommentarlos hinzunehmen.

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In der „Tageszeitung taz, Berlin“ vom Samstag, den 20. 11.21 befindet sich auf der Seite 16 ein Bild von der polnisch-belarussichen Grenze. 5 Kinder im Alter zwischen 3 – 8 Jahren blicken – mit dem Rücken zur Kamera stehend – auf die Grenzanlagen aus Stacheldraht, sie treffen mit ihren Blicken auf rund 20 polnische Soldaten/Polizisten die hinter dem Stacheldraht die Festung Europa schützen. Was denken und empfinden diese Kinder, keiner kann es genau sagen!

Diese Verunsicherung ist genau das, was wir derzeit erleben: Europa wird zur Festung ausgebaut, die sich durch „Frontex“ und ein Gewirr aus Kontrollen und Stacheldraht, immer mehr abschirmt. Europa wird zum Zeichen radikaler Abwehr der Fremden an den Grenzen. Dies passiert überall dort wo die Menschen von ausserhalb versuchen, das europäische Festland zu erreichen. Nicht nur die Aussengrenzen in Gibraltar, in Spanien, in Italien, Griechenland,in Bulgarien sind es, die wir meinen, sondern die Grenzziehungen laufen mitten in den

einzelnen Regionen. Österreich, Ungarn, Kroatien, Kossovo, der Schweiz, in Polen, im Baltikum. Die Fremden werden zu menschlichen Gegnern erklärt, sie werden künstlich abgehalten von einem Zutritt nach Europa, sie sind maximal als Kunden unserer Export-Produkte, als billige Produzenten unserer Waren und als Lieferanten von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten gefragt. Oder als Arbeitsmigranten ohne besondere Rechte und austauschbar, wie man sie eben braucht.

Seit Jahren zieht sich das hin, seit 2015 besonders, da galten kurze Zeiten andere Verhältnisse als der Krieg in Syrien tobte, jetzt werden alle Versuche von Fremden (Familien und Kindern, wie Einzelpersonen) nach Europa zu gelangen, unterbunden. Militärisch, polizeilich, unter blanker Missachtung europäischer Menschenrechtsregelungen. Migration gerät zum Spielball zwischen den Ländern Europas, derzeit an der Ostgrenze Polens. Polen als europäisches Mitglied der EU leistet ganze Arbeit bei der Zurückdrängung der Flüchtlinge. Illegal – wie allen bekannt – dem Grund nach, aber gebilligt von EU, den polnischen Nachbarstaaten und auch besonders der deutschen Politik. Dem wird Rechnung getragen, indem diese Woche Herr Minister Seehofer (Innenminister) zum Solidaritätsbesuch wegen der Lage an der Ostgrenze nach Warschau fährt. Die Koalitionäre in Berlin, die eine gemeinsame Ampel als neue Regierung in Deutschland planen, schweigen zu den Vorfällen in Belaruss. Nicht die Rechte der Flüchtlingen auf Leben und Freiheit werden beachtet, sondern man überlässt den einzelnen Ländern die Drecksarbeit, an deren Grenzen. Gefördert und bezahlt aus Mitteln der EU entstehen Hunderte von Kilometern neue Stacheldraht-Zäune und Mauern in Europa. Wir werfen die Frage nach Lösungen auf und erheben gleichzeitig die Forderung nach Aufnahmedieser Menschen in Not an den europäischen Grenzen innen und aussen.

Dazu kommt, dass Länder wie Belaruss und die Türkei Menschen benutzen, um die EU zu erpressen. Menschenunwürdige Verhältnisse werden an der Grenze zu Polen orchestriert und die Medien machen dieses Spiel mit. Menschenschmuggel wird so ertragreich und was mit den Menschen geschieht, ist den Schmugglern egal. Auf diese Art und Weise wird es immer schwieriger, an der Grundlage, dass Flüchtlinge willkommen sind, festzuhalten.

Was ist Europa: ein Kontinent der Grundrechte, der Menschenrechte, der sozialen Rechte und des Schutzes der Menschen oder ein Kontinent der Abschreckung, des Reichtums einzelner Akteure und der Machtlosigkeit vieler?

Unsere Solidarität gehört den Menschen, nicht den Systemen von Kontrolle, Verweigerung von Grundrechten und blosser Akkumulation von Gewinn und politischer Herrschaft.

Die 4 Länder-Organisation und das Roger-Winterhalter-Menschenrechtsbüro Offenburg,

18.11.2021

Unterzeichner:

Roland Saurer, Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg, lak-bw

Mathias Becker, Landesarmutskonferenz Baden-Württbg., lak-bw

Roger Winterhalter, Maison du Monde, Mulhouse und weitere

Personen aus sozialen Bewegungen in Frankreich

Hans Georg Heymann, Basel, CH

Jo Bothmer, EAPN, Niederlande

Adresse: Landesarmutskonferenz Baden Württemberg lak-bw,

c/o Roland Saurer, Höflestrasse 38, 78713 Schramberg, t. 99 61 55 8

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