Corona-update Nº2 – Vernetzung in Zeiten der Einschränkungen

wie versprochen eine etwas ausführlichere E-Mail, in der sich auch wieder Hinweise auf Texte finden, die mich als Reaktion auf meine E-Mails erreicht haben. Doch bevor wir dazu kommen, ein paar Gedanken von mir.

 

In der öffentlichen Berichterstattung scheinen mir vier Entwicklungen bemerkenswert:

 

  • die Rufe nach einem absehbaren Ende der vielfachen Beschränkungen werden lauter,
  • die Härte, mit der Beschränkungen durchgesetzt werden sollen, wird in der Berichterstattung erhöht (Bsp. Sperrung von Parkplätzen an Leipziger Ausflugziele; Anzeige gegen Wanderer, die sich am Gipfelkreuz in einem sächsischem Mittelgebirge zufällig treffen und die Abstandregeln nicht einhalten, die Verkündung eines Bußgeldkatalogs in Bayern (zu geringer Abstand 150,- € Strafe)),
  • Katastrophenszenarien und Angstmache nimmt einen größeren Platz ein
  • es wird auch mehr über Menschen am Rande der Gesellschaft berichtet und Stellungnahmen von Sozialverbänden und anderen Interessensgruppen erwähnt.

Wie das alles zu deuten ist, wäre eine ausführliche Diskussion wert, z.B. an den gemeindepsychologischen Stammtischen. Denn obwohl ich bisher immer sehr zuversichtlich war, dass die meisten der verantwortlichen Personen und Gruppen in Politik und Behörden, die Situation nicht nutzen, um die Idee einer offenen Gesellschaft zu gefährden, verliere ich angesichts der verschiedenen Meldungen (Handy tracking um jeden Preis, Wegsperren von Risikogruppen, weiterhin Abschiebungen von Geflüchteten, keine Alternativen zu ANKER-Zentren und beengten Unterbringungen von Menschen mit unklaren Aufenthaltsstatus) ein wenig meiner Zuversicht. Hoffen wir, dass dies übertrieben ist.

Der Rückzug auf nationalstaatliche Lösungsstrategien gehört auch in dieses Konzert. Es wird nach der Krise schwierig werden, die Idee eines europäischen Projekts zu beleben. Das wird angesichts der Vielzahl globaler Probleme viele gravierende negative Auswirkungen haben. Auch deshalb sind die Aktivitäten der europäischen Gemeindepsychologie so wichtig.

Aber genug der Kassandrarufe, es gibt auch wunderbare Beispiele dafür, dass in der Krise der Gemeinsinn gestärkt wird, sich viele überaus engagieren und Neues ausprobiert wird.

  • Freiwilligenbörsen bringen Menschen, die helfen wollen, und solche die Unterstützung suchen, auch in diesen Zeiten zusammen und haben auf die veränderten Bedarfe reagiert. Selbst in Kommunen, in denen bisher eine solche Infrastruktur gefehlt hat, übernehmen Mitarbeitende in den Rathäusern solche Aufgaben
  • Es melden sich innerhalb kurzer Zeit medizinisch ausgebildet Personen, um einspringen, obwohl sie ihrem Beruf bereits den Rücken gekehrt haben
  • Irmgard schreibt: ein Lebensmittelmarkt in Markdorf sammelt Briefe an Bewohner des Altersheims, um so deren Kontakt zur Außenwelt nicht abbrechen zu lassen und um zu signalisieren, dass sie nicht vergessen werden.
  • Es gibt inzwischen etliche Initiativen die sich auch um Menschen in Wohnungslosigkeit kümmern
  • Kino on Demand, die einen Teil der Erlöse an örtliche Lichtspielhäuser spenden, damit diese die Ausgangsbeschränkungen überstehen (https://www.br.de/nachrichten/kultur/kino-on-demand-wie-kinos-sich-in-der-krise-zusammentun,RuRUdjs)

Ich bin mir sicher, in eurem Umfeld gibt es weitere gute Beispiele. Schreibt sie mirHier noch ein paar im engeren Sinne fachlich vielleicht interessante Hinweise:

Manfred Zaumseil weist auf das Manual for Planning and Action Task Force for Disaster, Community Readiness, and Recovery der Society for Community Research and Action SCRA  https://www.scra27.org/files/2114/0605/7122/SCRA_Disaster_Recovery_Manual.pdf hin

Deren Seite wiederum ist verlinkt mit https://www.cstsonline.org/resources/resource-master-list/coronavirus-and-emerging-infectious-disease-outbreaks-response einer Seite des US Militär Gesundheitsservices, auf dem Links und Artikel zu psychosozialen Folgen der ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu finden sind

Auch ein Blick in den Artikel: M. Zaumseil,  S. Schwarz, M. von Vacano, G. Sullivan, J. Prawitasari-Hadiyono, (Eds.) (2014) Cultural psychology of coping with disasters  The case of an earthquake in Java, Indonesia, New York: Springer S. 2-44 könnte interessant sein. Wer den Artikel lesen will, aber keinen Zugang hat, kann sich bei mir melden.

Mehrere von Euch haben mich auf Aktivitäten der Rosa-Luxemburg-Stiftung aufmerksam gemacht, z.B. die Organisation einer „Online Lecture: Organizing for Power – Coronavirus und alles danach“ sowie diverser Texte die sich mit den aktuellen und zukünftigen Folgen der Coronakrise auseinandersetzen. Findet sich alles auf https://www.rosalux.de/ und ein Text, in dem es um die Frage geht, was Solidarität meint und meinen könnte, findet ihr im Anhang.

Auch die Verbände und Netzwerke bauen nach und nach ihre Internetseite um und stellen Informationen ein. Es lohnt immer mal wieder in euren Praxis- und Themenfeldern diese Seiten aufzusuchen, wenn man etwas über Stellungnahmen und fachliche Reaktionen erfahren möchte.

Hier ein Beispiel aus Frankfurt (eine städtische Seite auf der diverse Informationen gesammelt sind): https://frankfurt.de/service-und-rathaus/verwaltung/aemter-und-institutionen/gesundheitsamt/informationen-zum-neuartigen-coronavirus-sars-cov-2/psychosoziale-beratung

Sollte ich etwas vergessen haben, was jemand von Euch mir zugeschickt hat, dann bitte ich um Nachsicht.

In der Hoffnung, dass alle der besonderen Zeit auch etwas Gutes abgewinnen können, ihr von allzu großen Erschütterungen verschont bleibt, genug Unterstützung und Zuspruch habt, wenn ihr es braucht, und gut durch diese Zeit kommt

 

wünsche euch einen guten Start in das Wochenende

 

Mike

 

 

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Dr. Mike Seckinger

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