Thesen zur Landesarmutskonferenz Baden Württemberg o1.o3.2013 – Rückblick

Die LAK-BW wurde am 10.03.2012 in Offenburg von rund 120 anwesenden Personen im Alevitischen Kulturzentrum gegründet.

Der wesentliche Impuls ist sicherlich aus der europäischen Karawane 2010 gegen Armut und Ausgrenzung hervorgegangen. Wie dem Heft zur Karawane zu entnehmen ist, existierte die Idee zu diesem Zeitpunkt bereits. Die später verabschieden 10 Forderungen der Karawane sind Resümee der Karawane.

1. Die LAK ist der vorläufige Abschlusspunkt einer Entwicklung, die sicherlich in 1992 in Offenburg begonnen hat.

2. Die Besetzung der Augustaburg war eine erste Erfahrung, die Ohnmacht obdachloser Menschen zu überwinden. Ein Immobilien-Spekulationsobjekt schweizerischer Kapitalbesitzer wurde im Februar 1994 besetzt.

3. Die erste gemeinsame Aktion fand in einem breiten Bündnis auf Stadtebene im Sommer 1994 statt: Die Nacht der Wohnungs-losigkeit. Eine Strassenaktion mit Infos, Musik, Literatur etc.. Eine erste breite Aktion aller gesellschaftlichen Kräfte, die zum damaligen Zeitpunkt eine neue kommunale Vernetzung wollten. Daraus sind die bis heute existierenden OAT entstanden.

4. Im Herbst 1994 fand in Fidelis eine erste ursulaheim-organisierte Tagung durch die neu entstandene BI statt. Sie war im Februar 1994 gegründet worden. Die Tagung stand unter dem Thema „Demokratisierung der Wohnungslosenhilfe“.

5. Im Jahr 1994/95 wurde dann auch mit Offenburger Mitwirkung die BBI gegründet, in Bielefeld und Hannover. Erster Vorsitzender war Günter Pitz aus Offenburg, später Hans Lübke, Steffen Harms. Nach längerer Funktion von Rolf Bünger, Köln als Vorsitzendem ist Doris Kölz aus Offenburg die Vorsitzende seit 2009.

6. Entscheidend zur Gründung der LAK sind noch die Themen und Erfahrungen aus14 sog. Berbertreffen zwischen 1997- 2011 zu nennen, der Marsch auf Stuttgart 1998, aber auch die Beteiligung von Karl-Heinz Benz am Euromarsch 1997, der als BI-Vertreter, am Marsch von Offenburg-Amsterdam beteiligt war. (Euromarschgruppe von Franzosen, Schweizern und Belgiern von Grenoble – Amsterdam).

7. Sicherlich haben auch die Aktionen und Demonstrationsbe-teiligungen – mit dem DGB – OG zusammen – beigetragen, das politische Bewusstsein zu schärfen. Aktionen in Südbaden, im Elsass, am 1. Mai, an internationalen Demonstrationen in Köln, Luxemburg, Amsterdam, Paris, Nizza (G 8 -Gipfel) etc. bündelten viele soziale Energien, ergaben auch viele neue Erfahrungen.

8. Die Gründung der LAG als Folge des Marsches auf Stuttgart in 1999 schuf im Rückblick die Voraussetzung eine baden-württem-bergische Ebene zu erreichen. Langsam zwar, aber nach den anfänglichen Turbulenzen mit dem Vorsitzenden Ralf Rowitz konnte Wolfgang Jeckel als Vorsitzender in einer 10jährihgen Ära doch manches weiterbringen.

9. LAG und BBI wirkten auf der Landesebene und Bundesebene, die Fachgremien der BAG-W konnten besetzt werden, die Mitglied-schaft in der BAG-W wurde zu einer „geborenen Mitglied-schaft“ ausgeweitet. Die Mitgliedschaft in der NAK seit dem Jahr 2010 gibt der BBI eine weitere neue Plattform.

10. Da Partizipation kein Selbstläufer ist, entstanden durch die Kontakte auch im zivilgesellschaftliche wie sozialwissenschaftli-chen Netzwerk das Forschungsprojekt mit der FU Berlin, „P.-how it works“. Dieses Forschungsprojekt ist noch nicht beendet, etvl. in 2013-2014.

11. Die Basisbewegung Bi´s, LAG und BBI konten zahlreinche Veranstaltungen und Tagungen auf Landes und Bundesebene der Verbände auf besuchen, Projekte anbieten, Themen diskutieren und aufarbeiten. Die Strassenzeitung Herbstwind in OG unterstützte dies. Auch die Mitarbeit von Wolfgang Jeckel bei der Feantsa in Brüssel über rund 5 Jahre wie auch der Fentsa-kongress 2009 in Kopenhagen zur Partizipation brachte die Entwicklung weiter.

12. Wichtig ist der zwischen 1992 -. 2012 erfolgte Diskussionsprozess um Empowerment, Partizipation und Menschenrechte, die wachsende Bedeutung der Vernetzung der Basisorganisationen untereinander, ebenso mit den gesellschaftlichen Bereichen Sozialverbände, Gewerkschaften, Hochschulen, Kirchen. Enge Vernetzungen mit den Medien Presse, Rundfunk, Fernsehen, Lokalfernsehen.

13. Das Thema Partizipation konnten wir in alle Verbände der Wohlfahrt auf Landes- und Bundesebene tragen, auch in die Liga BW, wo es viel an Ressentiments gegen dieses Denken gab.

Dies alles waren Voraussetzungen für den Gründungsschritt der LAK.

Welche Chancen hat die LAK-BW, was sind ihre Perspektiven, optimistisch-realistisch formuliert?

1. Die Gründung der LAK-BW am 10.03.2012 ist der erstmalige und wohl einmalige Zusammenschluss von Basisinitiativen aus den Bereichen obdachlos – arbeitslos – Leben in prekären Verhältnissen, der Sozialwissenschaft, der am Empowerment orientierten Profession Sozialer Arbeit, demokrat.-fortschrittlicher Einrichtungen wie gesellschaftspolitisch engagierten Einzel-personen im Feld von Armut, Ausgrenzung und wachsender Ungleichheit.

2. Die Gründung der LAK-BW am 10.03.12 bringt die Verbände, den DGB und VdK unter Zugzwang. Deren Gründung für eine LAK war in Vorbereitung, jetzt geht es darum ein Zusammengehen zu erreichen, ohne dass die LAK-BW massiv an Konturen verliert.

3. Es geht darum in einem sensiblen Prozess die Positionen der LAK-BW im Rahmen des Netzwerkes I in einer gemeinsamen LAK-BW zu bewahren und das Netzwerk II (Verbände, DGB etc.) fortlaufend zu einem Bewusstseinswandel, zu einer solidarischen Politik zu motivieren.

4. Auf Landesebene ist eine gemeinsame LAK-BW strategisch in der Lage, das Thema Armut und Reichtum mit zu besetzen. Dies zeigt sich an der gemeinsamen Teilnahme am Beirat zum Reichtums-und Armutsbericht Baden-Württemberg – 2013-2015.

5. Sicherlich ist der Ausbau der Partizipation ein eminent wichtiger Punkt für die Zukunft unserer Gesellschaft. So geht es um die unmittelbare, direkte Beteiligung der Bevölkerung in prekären Lebenslagen an diesem gesellschaftlichen Prozess. Durch die ersten Kontakte und Schritte in diesem zivilgesellschaftlichen Bereich der BW- Landesregierung (Staatsrätin Erler!!!) und ´Allianz für Beteiligung´ eröffnet sich ein neues Feld unmittelbarer-praktischer Beteiligung. Das Thema bleibt nicht den Wohlfahrtsverbänden und ihrer internen Entwicklung vorbehalten, bleibt nicht ein akademisches Thema, sondern wird zu einem unmittelbaren praktischen, gesellschaftlichen Handlungsfeld weiterer Verbündeter in der Selbsthilfe, in Unterstützer- und Lobbygruppen.

6. Kontakte zum Administrativen Bereich der Landesregierung, in die parlamentarische Szene des Landtages, in Kontakten zu den kommunalen Landesverbänden, zu den Kirchen und Gewerk-schaften schaffen einen breiteren Zugang zu gesellschaftlichen Diskursen.

7. Grundlage dieser Entwicklung der LAK-BW ist eine arbeitsfähige, solidarisch miteinander agierende Kernmannschaft von aktiven Menschen, die aus unterschiedlichen Bereichen kommen können und müssen. Lokale Foren der Armut unterstützen und begünsti-gen diesen Prozess, die bestehenden Netzwerke bleiben teils erhalten oder werden durch neue Netzwerke ersetzt oder erweitert.

8. Die LAK-BW hat sicherlich noch zu dürftige materielle Ressourcen, aber es ist nicht aussichtslos, daraus mehr zu machen. Entscheidend ist das Wollen und Können, die Prozesse weiterzubringen. Internet und Medien generell beschleunigen diesen Prozess. Wir sind immer mehr in der Lage, dieses zu nutzen.

Der lange Weg zur LAK-BW ist ein Weg der Emanzipation. Aus der Ohnmacht und Unmündigkeit, vom Rand ins gesellschaftliche Zentrum.

Ein Weg der vielen Menschen, der vielen Hoffnungen, der vielen Träume.

rs. 01.03.2013